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Michelle Willingham

Vom Highlander geheilt

Vom Highlander geheilt

Series: Secrets in Silk - Book #2


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Vom Highlander geheilt

***

 

Prolog

 

Ballaloch, Schottland

Sommer 1806

 

Er hat ihn getötet. Paul Frasers Stimme war tonlos, aber in diesen vier Worten lag ein ganzes Leben voller Schmerz. Der verfluchte Sassenach hat meinen Vater gehängt. Er schien halb wild vor Trauer und Wut, und es brach Juliette Andrews das Herz. Sie hatte Paul noch nie so aufgewühlt gesehen. Sein kurzgeschnittenes schwarzes Haar war verfilzt und unter seinen blauen Augen hatte er Ringe, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen. Wahrscheinlich auch nichts gegessen.

Sie fühlte sich, als würden ihre Lungen nicht mehr gehorchen und fragte: Was meinst du damit, sie haben ihn gehängt? Warum?

Nicht hier. Paul nahm ihre Hand und führte sie durch die Schlucht in Richtung Hügel. Das kleine Pinienwäldchen würde sie vor neugierigen Blicken schützen. Juliette folgte ihm in den Schatten der Bäume. Sie raffte ihre Röcke und stieg vorsichtig über umgestürzte Baumstämme durch das Unterholz. Ihre Familie würde mit ihr schimpfen, weil sie sich allein mit ihm davongestohlen hatte, aber das war ihr egal. In ihren Augen war es harmlos. Paul war siebzehn, sie erst vierzehn.

Seit dem Tag, als sie vor ein paar Monaten in Schottland angekommen waren, war sie von dem gutaussehenden Highlander fasziniert gewesen. Paul hatte sie zu Erkundungstouren an den Ausläufern des Ben Nevis mitgenommen und ihr die Schönheit dieses wilden Landes gezeigt. Es war ein verbotener Nervenkitzel, an der Hand des Jungen, der ihr Herz höherschlagen ließ, hoch über dem Tal zu klettern. Aber bei dem Gedanken, dass ihm etwas zustoßen könnte, gefror ihr das Blut.

Ich schwöre dir, ich habe nichts gestohlen. Ich habe nur versucht, Malcolm davon abzuhalten, ein Schaf zu klauen. Nach und nach hörte sie von dem missglückten Überfall, bei dem sich Pauls Freund mit einem Messer verteidigt hatte, um dann erschossen zu werden. Sie sind gestorben, Malcolm und Lord Strathlands Verwalter. Ich konnte sie nicht retten und bin weggelaufen.

Seine Augen glitzerten, als er versuchte, seine aufgewühlten Gefühle zurückzuhalten. Strathlands Männer haben mich bis nach Hause verfolgt und behauptet, ich hätte den Verwalter ermordet. Dad hat versucht, mit ihnen zu reden, und da haben sie ihn einfach mitgenommen.

Er schwieg eine Zeit lang und sie wusste, was er als Nächstes sagen würde.

Sie haben seine Leiche einfach in der Schlinge hängen gelassen, beendete er. Am Eiloch Hill, als Warnung für die anderen. Paul schluckte schwer, seine Augen füllten sich mit Wut. Ich bin schuld an seinem Tod. Seine Hand ballte sich zu einer Faust, und bevor sie ihn aufhalten konnte, rammte er die Hand gegen einen Baum.

Als er ein zweites Mal auf den Baumstamm einschlug, bluteten seine Knöchel. Er weinte nicht, wie sie es getan hätte. Der rohe Schmerz in seiner Stimme ging tiefer als jeder körperliche Schmerz.

Sie wollte etwas sagen. Irgendetwas, um auszudrücken, wie leid er ihr tat. Aber Worte würden ihm nichts bedeuten. Worte würden seinen Vater nicht zurückbringen.

Juliette bemerkte kaum, dass sie um ihn weinte, bis er in ihren Armen lag und sich verzweifelt an sie klammerte. Sie lehnte sich an einen Baum und spendete ihm mit der Umarmung Trost, während ihre Tränen seine Wangen befeuchteten.

Das war es, was er jetzt von ihr brauchte. Seine Haltung war steif, sein Körper so angespannt, dass er vor Wut fast zitterte. Und doch ließ er sie nicht los, so als wäre sie der letzte Faden, der sein Leben zusammenhielt.

Es ist nicht deine Schuld, flüsterte sie und strich ihm über den Kopf. Paul antwortete nicht, aber an seinen hängenden Schultern konnte sie erkennen, dass er ihr nicht glaubte. Das einzige Zeichen, dass er sie gehört hatte, bestand darin, dass er seine Arme enger um sie schlang.

Sie standen eine ganze Weile bewegungslos in ihrer Umarmung, die Körper eng aneinandergepresst. Obwohl sie schon unzählige Stunden miteinander verbracht hatten, war dies das erste Mal, dass Juliette spürte, wie sich das Fundament der Freundschaft zwischen ihnen verschob. Ihre Haut nahm ihn jetzt anders wahr, sein harter und starker Körper traf auf ihre eigene Weichheit.

Es war falsch, sich von ihm auf diese Weise halten zu lassen. Er war der Sohn eines armen Bauern, und sie war die Tochter eines Offiziers. Ihre Eltern erwarteten, dass sie eines Tages einen Ritter oder einen Baronet heiraten würde. Vielleicht sogar einen Adeligen, da ihr Onkel ein Baron war. Aber als ein Streit zwischen ihrem Vater und seinem Bruder sie auf dieses kleine Landgut im Nordwesten Schottlands verschlagen hatte, hatte es ihr nichts ausgemacht, ihr Heim in London zu verlassen. Hier genoss sie eine Freiheit, die sie nie zuvor gekannt hatte.

Ihr Herz klopfte wie wild, als sie die Augen schloss und gegen die ungewohnte Reaktion auf seine Berührung ankämpfte.

Ich muss Ballaloch verlassen, sagte er schließlich. Meine Mutter schickt mich nach Edinburgh, damit ich bei meinem Onkel lebe.

Die Worte trafen sie wie eine Klinge, obwohl sie verstand, dass er gehen musste. Sie hatten zwar Kenneth für den Überfall gehängt, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich auch Paul holen würden. Es wird dort sicherer für dich sein.

Meine Mutter will mein Gesicht nicht mehr sehen, sagte er und starrte in die Ferne. Nicht nach dem, was ich ihr angetan habe.

Seine Worte waren voller Kummer. Sie drückte seine Hand und wünschte, sie wüsste, was sie ihm sagen sollte. Es wird alles gut werden.

Nein. Nein. Wird es nicht. Er ließ ihre Hand los und stützte die Ellbogen auf seine Knie. Ich weiß nicht, wann ich wieder nach Hause kommen kann.

In seiner Stimme schwang ein lebenslanger Schmerz mit, und sie richtete sich auf, um sein Gesicht zu berühren. Deine Mutter will dich wahrscheinlich vor den Männern schützen, die das getan haben. Du bist der einzige Sohn, den sie noch hat.

Ich hätte an diesem Galgen baumeln sollen.

Sag das nicht. Sie legte ihre Stirn an seine, und er nahm ihre Hände und hob ihre Handflächen an seine Wangen. Ich weiß, dass du um ihn trauerst.

Ich kann nur … nicht glauben, dass das alles passiert ist. Ich denke immer wieder, dass ich gleich aufwache und er dann wieder bei uns ist. Seine mitternachtsblauen Augen verdunkelten sich und er schloss sie, als wolle er den Kummer verdrängen. In dem schwachen Licht unter den Bäumen verschwand die Außenwelt, bis es nur noch Paul und sie gab.

Ihre Hände glitten hinauf zu seinen Schultern, und im Nu lag sie wieder in seinen Armen.

Das ist falsch. Geh weg, befahl ihr Gewissen.

Er ist dein bester Freund, erwiderte ihr Herz. Paul brauchte sie, und sie spürte seinen Schmerz, als wäre es ihr eigener. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie leer sie sich fühlen würde, wenn ihr Vater auf diese Weise gestorben wäre.

Du kannst nicht in Schottland bleiben, flüsterte sie und legte ihre Wange an seine. Es ist zu gefährlich. Der Duft seiner Haut erinnerte sie an die wilden Kiefern, die in den Highlands wuchsen. Sie inhalierte ihn ein und versuchte, eine Erinnerung an Paul zu schaffen.

Ich will nicht, dass dir etwas zustößt, beharrte sie. Versprich mir, dass du tust, was deine Mutter dir gesagt hat, und dass du sicher bist.

Ich will Gerechtigkeit, erwiderte er und schloss die Augen. Wie kann ich nach Edinburgh gehen und vergessen, was Lord Strathland meinem Vater angetan hat?

Wenn du zurückkommst, wird sich vielleicht alles ändern. Juliette berührte seine Wange, und seine Hände wanderten zu ihrer Taille und streichelten abwesend ihre zarte Haut. Eine schmerzhafte Wärme durchflutete sie und sie scheute vor den Gefühlen zurück, denen sie nicht gewachsen war.

Sein Blick wurde distanziert und er schüttelte den Kopf. Der Earl sollte das gleiche Schicksal erleiden wie mein Vater.

Juliette sagte nichts, da sie wusste, dass seine Worte aus Leid und Angst geboren waren. Lass es gut sein, Paul, murmelte sie. Lord Strathland ist zu mächtig, um ihn zu bekämpfen.

Als er nicht antwortete, ahnte sie, dass er, wenn er hierbliebe, etwas Unüberlegtes tun würde. Sie zweifelte nicht daran, dass dies ein weiterer Grund war, warum seine Mutter ihn weggeschickt hatte. Bitte, wiederholte sie. Für mich.

Für den Moment, sagte er. Aber seine Zeit wird kommen. In seinem finsteren Gesichtsausdruck erkannte sie das Versprechen auf Rache. Jemand muss Strathland dafür zur Rechenschaft ziehen, wie er die Clanmitglieder behandelt. Er hat seinen Reichtum mit ihrem Blut erlangt.

Dieser Jemand musst aber du nicht sein. Sie wickelte ein Taschentuch um seine Fingerknöchel und hob ihren Blick zu ihm. Jedenfalls nicht jetzt.

Seine mitternachtsblauen Augen blieben an den ihren hängen. Ich werde es nicht vergessen, Juliette.

Ich hoffe, dass du das nicht tust, sagte sie. Jedenfalls nicht alles. Die Art und Weise, wie er sie jetzt ansah, erweckte ein nervöses Gefühl in ihrem Magen. Sie ließ seine Hand los, weil sie nicht wusste, was sie ihm sagen sollte.

Sein Blick fokussierte sich auf ihr Gesicht. Manche Dinge kann man nicht vergessen.

Als seine Handfläche ihre Wange berührte, erstarrte sie völlig. Der Ausdruck in seinen Augen war der eines gejagten Mannes, der in ihr weit mehr als nur einen Freund sah. Obwohl sie beide zu jung waren, hatte sie eine unbestreitbare Verbindung zu Paul Fraser. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber in seinen Augen sah sie einen Weg, der zu einem verbotenen Leben führte.

Darf ich dich küssen, bevor ich gehe?, murmelte er.

Das Blut schoss ihr ins Gesicht, denn sie war noch nie geküsst worden. Er machte sie nervös und sie wusste nicht, was sie sagen sollte, und er interpretierte ihr Schweigen als Zustimmung. Sein Mund schwebte über dem ihren, und bei der Berührung seiner Lippen vereinigte sie ein Band von Unschuld. Es war der leiseste Hauch eines Kusses, nur ein leichter Druck auf ihren Lippen.

Und doch enthielt er ein unausgesprochenes Versprechen. Sie hatte nicht gewusst, dass diese Art von Versuchung existierte, und ohne es zu verstehen, erwiderte sie seinen Kuss. Warnungen durchströmten sie, als sich sein Mund auf ihrem bewegte und die Hitze einen Rausch der Gefühle auslöste. Als seine Hände über ihren Rücken wanderten, verspürte sie einen Kitzel der Erwartung. Sie wollte ihn, brauchte mehr.

Beide gaben sich dem Verlangen hin, der Kuss entfaltete sich, seine Zunge glitt in ihren Mund. Sie akzeptierte ihn und vergaß fast zu atmen, als sie erkannte, dass zwischen ihnen immer mehr als Freundschaft gewesen war.

Juliette klammerte sich an ihn, obwohl sie wusste, dass dies falsch war. Paul Fraser war ein heimlicher Wunsch, den sie niemals erfüllen konnte.

Ich werde dir schreiben, sagte er an ihrem Mund.

Sie konnte kaum atmen, denn in ihrem Kopf kreiste die Gewissheit zerbrochener Träume. In ihrem Herzen hatte sie Angst, dass sie ihn nie wieder sehen würde.


 

Kapitel eins

 

Schottland, 1811

 

Er hatte zwei Jahre lang darauf gewartet, sie wiederzusehen.

Dr. Paul Fraser hielt sich von den anderen Hochzeitsgästen fern, um einen Blick auf die junge Frau zu erhaschen, die ihn seit dem Tag, an dem er Ballaloch verlassen hatte, verfolgte. Obwohl er in den vergangenen fünf Jahren ein paar Mal zurückgekommen war und sie sich mehrfach gesehen hatten, war Juliette bei seinen letzten beiden Besuchen nicht mehr da gewesen. Als er sie das letzte Mal gesehen hatte – zwei Jahre war das her –, hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht … und seit diesem Tag hatte sie ihm noch nicht einmal mehr Briefe geschrieben. Ohne ein Wort der Erklärung.

Er wollte glauben, dass etwas mit den Briefen passiert war. Dass sie die Dutzende von Briefen, die er geschickt hatte, nie erhalten hatte und dass ein einziges Gespräch das Missverständnis aufklären würde. Eine Schwere erfüllte ihn, wenn er daran dachte, da er ahnte, dass es gar kein Missverständnis war. Sie hatte ihre Wahl getroffen, und sie war nicht auf ihn gefallen.

Er würde nicht um Antworten betteln. Aber er würde auch nicht zulassen, dass sie in der Menge der Gäste auf der Hochzeit ihrer Schwester einfach verschwand. Nach all dieser Zeit wollte er ihr in die Augen schauen und die Wahrheit sehen – egal wie bitter sie sein mochte.

Braut und Bräutigam standen oben auf der Treppe, während sich die unverheirateten Frauen unten versammelten. Paul stand zwischen den Männern, aber sein Blick war auf Juliette gerichtet. Sie stand mit dem Rücken zu ihm, aber sie war gewachsen und ihre Taille war jetzt schlanker. Er sehnte sich danach, ihr Gesicht zu sehen und die grünen Augen, die ihn all die Jahre in ihren Bann gezogen hatten.

Die Stimme der Vernunft sagte ihm, er solle sie in Ruhe und die Vergangenheit hinter sich lassen. Aber sein hartnäckiges Herz wollte nicht aufgeben. Noch nicht.

Die Braut warf ihre eisblaue Seidenhaube über das Geländer, und sie landete in Juliettes Armen. Sie starrte die Haube an, als sei sie eine giftige Schlange, und der Jubel der Hochzeitsgäste war ohrenbetäubend.

Sie wird die nächste sein, die heiratet! Die Haushälterin strahlte. Ist das nicht wunderbar?

Aber Juliette wirkte keineswegs erfreut. Stattdessen war ihr Gesicht weiß geworden, als wäre sie für ihre eigene Hinrichtung auserkoren worden.

Bevor Paul merkte, was geschah, hatte der Bräutigam seinen Hut über das Geländer geworfen. Der Hut war im Begriff, in die Hände eines seiner Verwandten zu fallen, und Paul schnappt sich ihn, bevor jemand anderer Anspruch darauf erheben konnte.

Er wusste, was es bedeutete, und es war ein Mittel, um mit ihr zu sprechen und endlich zu erfahren, warum sie sich weigerte, ihn zu sehen. Doch als er sich durch die Menschenmenge bewegte und vor ihr stehenblieb, sah er mehr, als er erwartet hatte.

Die junge Frau, die vor ihm stand, war nicht mehr dieselbe Juliette, die er gekannt hatte. Paul konnte es an der Art sehen, wie sie in die Ferne starrte. Ihre Gedanken waren abgelenkt. Für einen Fremden mochte sie wie jede andere Frau wirken … ruhig und gelassen, aber er durchschaute ihre Fassade. Ihr braunes Haar, das einst mit goldenen Strähnen geglänzt hatte, war jetzt stumpf und zerzaust, als hätte sie sich nicht mehr Mühe gemacht, als es nur hastig hochzustecken. Mit ihren traurigen grünen Augen war sie für ihn wie ein Rätsel. Sie war zu einer schlanken Frau herangewachsen, aber ihre Wangen wirkten hohl und unter ihren Augen waren Schatten zu sehen. Fast so, als hätte sie aufgehört zu essen.

Juliette drückte ihrer jüngeren Schwester Amelia die Haube in die Hand und ging zur Tür. Es war, als könnte sie den Gedanken nicht ertragen, in seiner Nähe zu sein.

Aus Stolz blieb er zurück, während sie floh. Es war klar, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte, und das war die Antwort, die er erwartet hatte. Trotzdem war es nicht typisch für sie, wegzulaufen. Die junge Frau, die er kannte, wäre rot geworden und hätte über die gutmütigen Sticheleien gelacht. Sie wäre nicht geflohen.

Es war nicht sicher für sie, allein draußen zu sein. Und auch wenn sie an seiner Gesellschaft nicht interessiert war, wollte er sicherstellen, dass es ihr gut ging.

Einer seiner Freunde, Rory MacKinloch, ergriff seinen Arm. Sie ist ein hübsches Mädchen, aber mit einem zarten Herzen, Junge. Pass auf dich auf. Rory verstärkte seinen Griff, fast als ob er sich als Juliettes älterer Adoptivbruder betrachtete.

Paul schüttelte die Hand des Mannes ab. Ich kenne sie seit dem Tag, an dem sie Schottland betreten hat. Und er würde jederzeit darauf wetten, dass er sie besser kannte als jeder andere. Sie hatte ihm in Dutzenden von Briefen ihr Herz geöffnet.

Ein wissendes Lächeln breitete sich auf Rorys Gesicht aus. Sie scheint nicht an deiner Aufmerksamkeit interessiert zu sein, Junge. Du solltest dich nach einer anderen umsehen.

Sie ist die Richtige für mich. Das war sie schon immer. Paul ging zwischen den zahlreichen Hochzeitsgästen hindurch, denn er wusste, dass Juliette sich nach draußen geschlichen hatte. Als er die Haustür öffnete, konnte er sehen, dass der bewölkte Himmel Schnee versprach. Das Wetter Ende Januar war rau und die bittere Kälte machte es für die Pächter noch schwieriger.

Juliette hatte ihre Röcke gepackt und lief auf den Stall zu. Als er ihr folgte, ließ er seinen Blick über die Zeltreihen schweifen, in denen die geflüchteten Pächter untergebracht waren. Die Zelte waren mitten im Schnee aufgebaut und an mehrere Feuerstellen im Freien war die Glut erloschen.

Die Pächter waren von ihrem Land vertrieben worden, als der Earl of Strathland sich im vergangenen Herbst geweigert hatte, ihre Pachtverträge zu verlängern – darunter auch der seiner Mutter. Wäre der Duke of Worthingstone nicht gewesen, der zugestimmt hatte, dass alle Pächter ihre Häuser auf seinem Land wieder aufbauen konnten, hätte Paul seine Mutter nach Edinburgh gebracht. So aber hatte Bridget darauf bestanden, bei den anderen zu bleiben, ganz gleich, wie trostlos die Lebensbedingungen waren. Sie war die einzige Hebamme und dickköpfig genug, um die eisigen Nächte zu ertragen.

Andere hatten sich geweigert, umgesiedelt zu werden. Als einige der Pächter versucht hatten, heimlich in ihre Häuser zurückzukehren, hatte Lord Strathlands Verwalter, Mr Melford, angeordnet, ihre Häuser in Brand zu stecken.

Manchmal noch mit den Pächtern drin.

Pauls Kiefer spannte sich bei der Erinnerung an. Er hatte zahllose Brandopfer behandelt und darum gekämpft, ihre Leben zu retten. Das bestärkte ihn nur in seinem Bedürfnis, sich an dem Earl zu rächen. Nicht nur wegen dem, was seiner eigenen Familie zugestoßen war, sondern auch für all die anderen.

Vor der Scheune blieb er stehen und stützte sich mit der Hand auf den hölzernen Türrahmen. Sein Instinkt riet ihm, Juliette in Ruhe zu lassen, aber das Bedürfnis, sie zu beschützen, war stärker.

 

*

 

Er war hier.

Juliette Andrews’ Herz klopfte so schnell, dass sie kaum atmen konnte. In den letzten Jahren hatte sich Dr. Paul Fraser in einen gutaussehenden Mann verwandelt. Sein dunkles Haar lockte sich leicht und diese mitternachtsblauen Augen verwandelten ihre Knie in flüssiges Wachs. Nachdem die Haube ihrer Schwester bei ihr gelandet war, hatte er sich den Hut des Bräutigams geschnappt.

Jede andere Frau wäre begeistert gewesen, dass er derjenige war, der ihn gefangen hatte. Juliette hingegen war von Panik erfüllt. Dieser große, umwerfend gutaussehende Mann würde sich nicht ihre Gründe anhören, warum sie für den Rest ihres Lebens eine Jungfer bleiben wollte. Seit Paul nach Schottland zurückgekehrt war, war ihr bewusst, dass er sie verfolgte. Sie hatte versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, aber er wollte Antworten und sie hatte nicht die Absicht, ihm diese zu geben.

Sie versuchte, ihre ruhige, vernünftige Seite zu finden. Es war nur natürlich, dass er nach all dieser Zeit mit ihr sprechen wollte. Immerhin waren sie Freunde gewesen.

Aber er wollte mehr.

Aber sie konnte nicht mehr geben.

Juliette stellte sich an einen der Stände und ging das Einmaleins durch, um ihren aufgewühlten Geist zu beruhigen. Wenn sie doch nur ihr Leben in säuberlich geordnete Spalten sortieren könnte, die sich korrekt addieren ließen.

Ihr Verstand erinnerte sie daran, dass sie ihm keine Erklärung schuldete. Gefühle änderten sich, besonders wenn Zeit und Entfernung im Spiel waren.

Ja, das würde reichen. Sie zwang die Eisschicht um ihr Herz, sich zu verdicken und erinnerte sich daran, dass sie es sich nicht erlauben konnte, vor Paul Fraser schwach zu werden. Die Sehnsüchte eines jungen Mädchens hatten in ihrem Leben keinen Platz mehr.

Zahlen, Tinte und Papier waren nun ihre liebsten Begleiter. Sie würde alt werden und an ihren Fingern würde die Tinte der geschriebenen Zahlen, die das Einkommen ihrer Familie ausmachten, kleben. Ihr Herz würde wie eingefroren sein, damit sie die gebrochenen Reste nie spüren würde.

Juliette fand Trost in den Entscheidungen, die sie getroffen hatte. Sie würde sich nicht mit den Albträumen oder den Fehlern der Vergangenheit beschäftigen. Und sie würde auch nicht zulassen, dass ein sündhaft gutaussehender Highlander all ihre sorgfältig ausgearbeiteten Pläne zunichtemachte.

Ihr Herz war bereits gebrochen. Und so wahr ihr Gott helfe, würde sie an ihren Geheimnissen festhalten, damit er sich von ihr abwenden und eine Frau finden würde, die seiner Liebe würdig war.

Denn sie könnte es nie und nimmer sein.

Paul spielte mit dem Hut in seinen Händen und setzte ihn dann am Stalltor ab. Juliette hatte sich weiter in die Dunkelheit zurückgezogen und stützte sich mit den Händen an einer der Boxen ab, als wolle sie ihre Gedanken beruhigen. Obwohl er kein Wort mit ihr sprach, blickte sie auf, als er eintrat.

Sie sind mir gefolgt. Ihr Gesichtsausdruck zeigte Spuren von Resignation. Das hatte ich befürchtet.

Das war nicht gerade eine ermutigende Begrüßung. Ich bin gekommen, um auf Sie aufzupassen, nicht um Sie zu belästigen. Er musterte sie und spürte, dass dies eines jener Gespräche sein würde, bei denen kein einziges Wort das richtige sein würde.

Es ist alles in Ordnung, wirklich. Sie nickte in Richtung der Tür, als ob sie hoffte, dass er gehen würde.

Er wusste, dass sich mehr hinter ihrer Maske der Gleichgültigkeit versteckte. Seit Wochen hatte er versucht, sie zu sehen, doch sie hatte sich hartnäckig geweigert. Jetzt war sie eine Fremde für ihn. In der Abenddämmerung wirkte sie noch zerbrechlicher. Fast so, als hätte sie das Lachen verlernt.

Es war nett von Ihnen, dass Sie auf mich aufgepasst haben, sagte sie. Aber ich brauchte einfach einen Moment für mich allein. Sie strich sich eine Strähne ihres braunen Haares hinters Ohr und schaute zur Tür, als ob sie sich wünschte, er würde hindurchgehen.

Aber Paul hatte nicht die Absicht zu gehen. Noch nicht. Er trat einen Schritt vor und betrachtete die Pferdeboxen. Ich muss schon sagen, so habe ich mir das Wiedersehen mit Ihnen nicht vorgestellt.

Es ist schon lange her. Ihre Stimme war kühl, als ob sie es kaum erwarten konnte, dass er gehen würde. Und er konnte sich verdammt noch mal nicht vorstellen, warum sie ihn so ablehnte. Er hatte sie doch nur gebeten, ihn zu heiraten.

Sie sollten gehen, Dr. Fraser, riet sie. Ich bin sicher, Ihre Freunde vermissen Sie.

Ihre Freunde. Als ob sie nicht dazugehören würde. Und dann nannte sie ihn auch noch Doktor, anstatt seinen Namen zu benutzen. Nun, ihr Wunsch nach Distanz war ganz klar, obwohl er nicht wusste, warum. Er hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen und er bezweifelte, dass er sie in den zehn Minuten, die er in ihrer Gegenwart gewesen war, beleidigt hatte.

Wäre sie eine andere Frau, würde er denken, dass sie ein Spielchen treiben würde. Aber Juliette war nie so eine Frau gewesen. Sie war immer standhaft und ehrlich gewesen. Wir waren einmal Freunde, erinnerte Paul sie. Oder hat sich das geändert, seit ich weggegangen bin, um Medizin zu studieren? Er verschränkte die Arme und wartete auf eine Antwort. Wenn sie ihn nicht mehr wollte, dann würde er gehen. Unter dem Deckmantel der Gleichgültigkeit konnte er einen Hauch von Angst erkennen. Sie versuchte, ruhig zu bleiben und so zu tun, als hätte sich nichts geändert. Aber es gab Schatten unter ihren Augen, eine Zerbrechlichkeit auf ihrer blassen Haut.

Juliette trat näher an ihn heran und starrte ihn einen langen Moment lang an. Ich weiß nicht mehr, was wir sind. In ihrer Stimme lag jahrelanges Bedauern. Aber Sie sollten hier nicht allein mit mir sein. Das gehört sich nicht.

Jetzt klingen Sie wie Ihre Schwester Margaret. Nicht wie das Mädchen, das früher mit mir auf Bäume geklettert ist. Paul trat einen Schritt näher, um zu sehen, ob sie es wirklich ernst meinte.

Sie wich nicht zurück, sondern blieb standhaft und wiederholte: Ich sagte, Sie sollen gehen.

Das haben Sie. Und er würde es tun, sobald er die Antworten hatte, die er wollte. Er hatte immer auf seinen Instinkt vertraut, und in ihrem Verhalten lag etwas, das ihre Worte Lügen strafte.

Langsam griff er nach ihren Händen und legte sie an seine Brust. Es war ein Test, um zu sehen, ob sie ihn als Bedrohung ansehen würde. Ihre behandschuhten Finger waren klein, aber als er sie losließ, wich sie nicht zurück. Stattdessen bedeckten ihre Handflächen sein schlagendes Herz. In ihren Augen lag Herzschmerz und es schien, ob sie aus der Berührung Trost schöpfte. Es kostete ihn jedes Quäntchen Selbstbeherrschung, sie nicht in seine Arme zu ziehen und festzuhalten.

Nachdem sie sich durch jahrelange Briefe nähergekommen waren, hatte er seine Wünsche geäußert. Und obwohl seine Aussichten ungewiss waren, wollte er sie wissen lassen, dass er sich um sie kümmern würde. Sie meiden mich, seit ich nach Schottland zurückgekehrt bin.

Ich war in London, argumentierte sie.

Sie haben sich geweigert, mich zu sehen, als ich Sie besucht habe.

Das war meine Mutter. Sie schüttelte den Kopf. Ich wusste nicht, dass Sie kommen würden, bis sie Sie abgewiesen hat.

Hätten Sie mich sehen wollen?

Einen Moment lang lag in ihrem Blick eine Sehnsucht, die sein Herz fast zum Stillstand brachte. Ihre Hände bewegten sich leicht auf seiner Haut, und sie schloss die Augen. Sie war kurz davor gewesen, Ja zu sagen. Da war er sich sicher.

Resignation huschte über ihr Gesicht, bevor sie sie verbarg. Wir kennen uns kaum noch. Es sind zu viele Jahre vergangen.

Haben Sie vergessen, was zwischen uns war? Seine Hand wanderte zu ihrer Wange und Angst stieg in ihren grünen Augen auf. Sie sah aus, als wolle sie fliehen, aber sie tat es nicht. Eine Röte färbte ihre Wangen und er konnte sehen, dass sie es nicht vergessen hatte. Er sah es an ihren Augen und an der Art und Weise, wie sie ihn nicht zurückstieß, um ihm zu sagen, dass es ihr völlig egal war.

Es war ihr nicht egal. Das war in ihrer Berührung zu spüren, denn sie wich nicht zurück. Sie lehnte sich an ihn, als ob sie sich an jeden Tag erinnerte, den sie zusammen verbracht hatten, als sie jung waren. Er lockerte seine Hände und gab ihr jede Gelegenheit, sich von ihm zu entfernen. Die Tatsache, dass sie an Ort und Stelle blieb, schenkte ihm einen Funken Hoffnung. Aber ihre Worte standen im Widerspruch zu ihren Taten.

Dort hinten gibt es Dutzende von Frauen, die Ihnen zu Füßen fallen würden, wenn Sie sie nur ansehen würden. Ihre Stimme war schwer und sie senkte den Blick.

Es würde keinen Unterschied machen, sagte er leise. Es gibt nur eine Frau, die ich will.

Nicht mich. Sie holte tief Luft und trat von ihm zurück. In diesem Moment sah er einen so verletzten Geist, dass er sich fragte, was in den vergangenen zwei Jahren geschehen war. Sie verhielt sich älter als ihre neunzehn Jahre.

Was hat sich geändert, Juliette? Er wollte die Gründe aus ihrem Munde hören, um zu verstehen, warum sie ihm aus dem Weg gegangen war.

Er erinnerte sich an die Brände, die vor einigen Monaten bei den Räumungen entstanden waren. War sie während der Gewalt irgendwie bedroht worden? Er hatte geglaubt, dass sie damals in London in Sicherheit war, aber vielleicht auch nicht. Er hatte seine Zeit damit verbracht, sich um die Verwundeten zu kümmern, und er hatte alles außer dem Kampf gegen den Tod aus den Augen verloren.

Wir sind keine Kinder mehr, Dr. Fraser, erinnerte sie ihn. Wir haben uns beide verändert.

Sehen Sie mir in die Augen und sagen Sie mir, dass Sie nichts mit mir zu tun haben wollen. Sagen Sie mir, dass sich Ihre Gefühle geändert haben, und ich werde sofort weggehen. Sie werden mich nicht wiedersehen.

Als er ihren Blick erwiderte, errötete sie nur. Es ist schon lange her. Es war nicht die Antwort, die er erwartet hatte. Irgendetwas beunruhigte sie, aber sie wollte nicht sagen, was es war.

Paul legte seine Hände auf ihre Schultern, seine Daumen streichelten sie durch die Wolle ihres Kleides. Ja, das ist es. Mit einem schweren Seufzer gab er zu: Ich nehme an, wir könnten neu anfangen, wieder als Freunde. Er trat einen Schritt zurück, um ihr Abstand zu gewähren.

Eine Verletzlichkeit spiegelte sich auf ihrem Gesicht, als ob sie sich an die verlorenen Jahre zwischen ihnen erinnerte. Aber sie schüttelte mit Bedauern den Kopf. Ich weiß nicht, ob das klug ist.

Weil ich arm bin?

Armut hat damit nichts zu tun. Sie milderte ihren Tonfall. Sie haben es zu etwas gebracht, Dr. Fraser. Ich freue mich für Sie. Es lag ein Hauch von Stolz auf ihrem Gesicht, als ob sie ernst meinte, was sie gesagt hatte.

Ihre plötzliche Veränderung verwirrte ihn, denn in ihrem Tonfall hatte das Mädchen gehört, das einmal seine Freundin gewesen war. Das Mädchen, das seine ersten Briefe beantwortet und ihn in den endlosen Stunden des Studiums ermutigt hatte. Das Mädchen, das ihn an dem Tag geküsst hatte, als er Ballaloch vor so vielen Jahren verlassen hatte.

Als ich vor zwei Jahren nach Ballaloch zurückgekehrt bin, habe ich Sie gebeten, mich zu heiraten. Er begegnete ihrem Blick, ohne zu zögern. Sie sagten, es sei noch zu früh, aber Sie haben nicht Nein gesagt. Danach habe ich nie wieder etwas von Ihnen gehört. Es war das Schweigen, das ihn am meisten beunruhigte, mehr als die Geheimnisse, die sie verbarg. Glauben Sie nicht, dass ich eine Erklärung verdiene, Juliette?

Er weigerte sich, sie Miss Andrews zu nennen, auch wenn es sich eigentlich so gehörte. Für ihn würde sie immer Juliette sein.

Während sie nach den richtigen Worten suchte, bewegte sie sich nicht. Schließlich antwortete sie: Ich weiß, was für ein Leben Sie wollen. Und es ist nichts für mich.

Wieder versuchte sie, ihn wegzustoßen. Aber was meinte sie mit ›was für ein Leben‹ er wollte?

Ich will das Leben, das jeder Mann will. Ich will eine Frau und Kinder. Ich will meine Tage damit verbringen, Sie glücklich zu machen. Er stellte sich hinter sie und wartete ab, ob sie fliehen würde. Sie bewegte sich kein Stückchen. Er schlang seine Arme um sie und zog sie an sich heran.

Das können Sie nicht. Aber sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und machte keine Anstalten, sich aus seiner Umarmung zu befreien. Er wusste nicht, ob er sich das nur einbildete, aber sie schien seine Arme um sie herum zu begrüßen. Das gab ihm Hoffnung, dass es vielleicht eine Chance für sie beide gab.

Gilt das für alle Männer? Oder nur für mich? Er atmete den Duft ihres Haares ein und wusste, dass es nie eine andere Frau für ihn geben würde. Nicht wie sie.

Sie drehte sich um und sah ihn an. Alle Männer. Und wenn Sie eine Frau und Kinder wollen, sollten Sie sich woanders umsehen.

Sie sagte nicht Nein zu ihm. Nur zur Heirat. Er wusste nicht, was er davon halten sollte, oder warum sie niemanden heiraten wollte. Aber wie ein Fluss, der jeden Berg abtragen kann, hatte er die Absicht, ihren Widerwillen in aller Ruhe zu beseitigen.

Warum sind Sie im Haus vor mir weggelaufen?, fragte er und presste seinen Mund an ihre Schläfe. Habe ich etwas getan, das Ihnen Angst macht?

Nein. Sie legte ihre Wange an die seine und ihr Atem wärmte sein Gesicht. Aber in ihrer Stimme hörte er ihr Zittern.

Paul hielt ihre Handfläche in seiner und streichelte ihre zarte Haut mit seinem Daumen. Dann wich er zurück, um das Spiel der Gefühle auf ihrem Gesicht zu betrachten. Es ist etwas passiert, nicht wahr?

Sie erblasste bei seinen Worten, und er sah, dass er ins Schwarze getroffen hatte. M-mein Vater ist ein Baron geworden und hat die Ländereien seines Bruders geerbt. Und seine Schulden.

Nein. Das ist nicht der Grund. Sie sind nicht die Art von Frau, die sich um einen Titel schert.

Sie errötedie er jetzt wollte.

te und löste sich von ihm. Er ist in den Krieg gezogen und hat uns zurückgelassen. Wir hatten Probleme, hier zu überleben, und es gab zwischen den Männern des Earls und den Pächtern so viel Gewalt.

Er spürte, dass sie ihm nicht die ganze Wahrheit sagte. In ihren grünen Augen konnte er eine gewisse Nervosität erkennen, als ob sie nicht mehr preisgeben wollte.

Was ist mit Ihnen passiert, Juliette? Er benutzte wieder ihren Vornamen, damit sie sich an die Zeit erinnerte, als sie noch enge Freunde gewesen waren.

Sie schloss die Augen und schlag die Arme um ihre Taille. Sie sind ein guter Mann, Dr. Fraser. Und Sie haben so viel mehr verdient als eine Frau wie mich. Juliette rang sich ein Lächeln ab, bevor sie nach draußen ging und ihn zurückließ, um über die Geheimnisse nachzudenken, die sie vor ihm verbarg.

Juliette kehrte zurück zur Hochzeit und hatte das Gefühl, dass Paul ihre Scham bereits erahnt hatte. Ihn dort zu sehen, so gutaussehend und stark, hatte ihr Herz schwachwerden lassen. Aber sie war von der Vergangenheit gezeichnet und wenn Paul davon erfuhr, würde er sich angewidert von ihr abwenden.

Schlimmer noch, er wollte Kinder. Ihr Herz blutete bei dem Gedanken, denn er wäre ein wunderbarer Vater. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er die Hand eines Sohnes hielt, mit ihm durch das Tal wanderte oder ihm vor dem Schlafengehen Geschichten erzählte.

Du kannst ihm niemals Kinder schenken, mahnte ihr Gewissen. Es ist das Beste, ihn gehen zu lassen.

Innerlich wütete sie über die Ungerechtigkeit des Ganzen. Es war, als hätte jemand das Netz durchtrennt, das ihre Träume zusammenhielt, und sie auf dem Boden verteilt.

Egal über wie viele Wenns sie nachdachte, nichts würde die Vergangenheit ändern. Aber sie konnte auch nicht zulassen, dass der Zorn sie verzehrte. Er würde nur ihren Geist auffressen und sie in eine verbitterte Frau verwandeln.

Nein, sie würde stark und unerschütterlich ihrem Schwur folgen und eine Jungfer bleiben. Paul würde sein Leben leben, und sie würde mit Zahlen und Konten verheiratet bleiben.

Ihr verräterisches, törichtes Herz hielt das für eine schreckliche Idee. Was waren schon Zahlen, verglichen mit einem Highlander, der ihr den Atem raubte? Obwohl die Jahre sie von Paul entfremdet hatten, hatte sie nie an seiner Freundschaft gezweifelt. Aber es war keine Freundschaft, die er jetzt wollte.

Das konnte sie an der Art sehen, wie er sie beobachtete, als ob er durch ihre Worte hindurch die Geheimnisse in ihrem Inneren sehen konnte. Er war gewachsen, und sein Körper war schlank und muskulös. Als er sie berührt hatte, hatte die Wärme seiner Handflächen ihren Puls beschleunigt.

Sie hatte erwartet, dass es nach so vielen Jahren unangenehm und seltsam sein würde. Stattdessen war Paul Fraser von dem Moment an, als sie ihn gesehen hatte, eine Bedrohung. Nicht nur, weil er sich um sie sorgte, sondern auch, weil er Gefühle in ihr wiedererweckt hatte, denen sie sich nicht stellen wollte.

Er hätte vielleicht einen Kuss gestohlen, wenn sie ihn dazu ermutigt hätte. Und sie hätte es vielleicht erlaubt, wenn sie noch unschuldig wäre.

Juliette blinzelte die Tränen zurück und ignorierte den Schmerz in ihrem Inneren. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und überlegte, was sie tun sollte. Das Klügste wäre, Paul wegzustoßen, sich zu weigern, ihn wiederzusehen, wie sie es bereits getan hatte. Aber ihn nach so vielen Jahren wiederzusehen, hatte nur die Tür aufgestoßen, die ihre Wut darüber, ruiniert worden zu sein, zurückgehalten hatte.

Eine andere Frau könnte die Wahrheit verheimlichen und vorgeben, eine Jungfrau zu sein, um Paul auf den Weg der Ehe zu führen. Aber sie war unwiderruflich gebrochen und es wäre unfair, ihm etwas vorzulügen.

Sie stieß einen langsamen Atemzug aus und verdrängte die schlummernden Gefühle. Sie wartete so lange, bis niemand mehr ihre Verwirrung sehen konnte.

Ihre ältere Schwester Margaret durchquerte das Zimmer. Geht es dir gut? Dr. Fraser hat doch nichts getan, was dich aufgeregt hat, oder? Obwohl ihre Schwester sie nicht tadelte, wusste Juliette, dass Margaret es missbilligte, wenn eine Frau und ein Mann sich allein trafen. Das gehörte sich nicht, auch wenn sie Paul seit ihrem vierzehnten Lebensjahr kannte.

Nein, es geht mir gut. Als sie sich ihrer ältesten Schwester zuwandte, sagte sie: Victoria sieht hübsch aus, nicht wahr? Ich freue mich für sie.

Die Hochzeit war einfach gewesen, eine Zusammenkunft zu Hause, während ihre älteste Schwester den Mann heiratete, den sie zu lieben gelernt hatte. Als der Duke of Worthingstone seine Braut angesehen hatte, hatten sie alle die Zuneigung in seinem Blick gesehen.

Ein Duke. Margaret seufzte wehmütig. Kannst du das glauben?

Ich weiß, dass sie glücklich sein wird, aber ich beneide sie nicht im Geringsten, gab Juliette zu. Der Gedanke, eine Duchess in der Londoner Gesellschaft zu werden, war für sie unvorstellbar. Und für ihre Schwester würde es noch schwieriger sein, denn Victoria hatte in den letzten fünf Jahren zu viel Angst gehabt, um überhaupt das Haus zu verlassen. Auf der Reise nach Schottland war sie bei einem Unglück versehentlich zurückgelassen worden und war tagelang in den schottischen Highlands umhergeirrt. Danach hatten ihre Ängste sie im Haus gefangen gehalten. Nur mit der Hilfe des Dukes war es ihr gelungen, vor die Haustür zu treten. Niemand wusste, ob oder wie sie es schaffen würde, mit ihrem neuen Mann nach London zu reisen.

Juliette ging in den Salon und hielt sich von den anderen Gästen fern. Ihre Mutter, Beatrice, strahlte vor Freude über die erfolgreiche Heirat ihrer Tochter. Schon bald würde sie den Rest von ihnen nach London zurückschleppen, in der Hoffnung auf eine weitere erfolgreiche Heirat.

Der Gedanke war beruhigend und beängstigend zugleich. Juliette hatte ihre eigenen Gründe, warum sie von Ballaloch wegwollte. Doch ihre Mutter würde nie verstehen, warum sie eine alte Jungfer bleiben wollte. Doch bei dem Gedanken, ihren Albtraum zu beichten, überkam sie ein Gefühl der Übelkeit. Sie wollte es so lange wie möglich hinausschieben.

Victoria kam allein in den Raum und Juliette fand es seltsam, dass der Duke an ihrem Hochzeitstag von ihrer Seite gewichen war. Ihre Schwester rang die Hände und beäugte unsicher die Tür.

Einen Moment später kam Paul durch die Eingangstür. Sein Blick suchte einen der Highlander, und dann ging er durch die Menge und sprach leise mit Cain Sinclair. In seinem Verhalten lag ein Gefühl der Dringlichkeit, und als Juliette sich auf den Weg zu ihnen machte, hörte sie nur Pauls letzte Worte: Holt die Pferde.

Warum? Juliette runzelte die Stirn und fragte sich, ob es einen weiteren Überfall gegeben hatte oder ob jemand verletzt worden war. Paul begegnete ihrem Blick für den Bruchteil einer Sekunde und neigte den Kopf zu einem Nicken. Dann setzte er seinen Hut auf und eilte wieder nach draußen.

Bevor Mr Sinclair sich zu ihm gesellen konnte, hielt Juliette den Arm des Mannes fest und sah ihm ins Gesicht. Was ist hier los?

Lassen Sie mich gehen, sagte er. Wir haben gehört, dass Lord Strathland Männer geschickt hat, die hierher reiten. Wir wollen wissen, wo sie sind und warum sie kommen.

Ihr wurde bei dem Gedanken ganz flau im Magen. Erst im vergangenen Herbst hatte der Earl of Strathland die MacKinloch-Pächter von seinem Land vertrieben, um Platz für seine riesigen Schafherden zu schaffen. Ihre Familie hatte dem Clan Zuflucht gewährt, bis der Duke zugestimmt hatte, ihnen auf seinem Land Platz für dauerhafte Häuser zu geben, aber die Auseinandersetzungen zwischen den Männern des Earls und den Pächtern waren weitergegangen.

Lord Strathland war eine Bedrohung für sie alle. Allein der Gedanke an diesen Mann machte ihr Angst und sie wünschte sich, er würde nach England zurückkehren. Sie verstand nicht, warum er hierblieb, inmitten von Tausenden von Hektar Weideland, wenn er auf einem anderen Gut leben konnte. Solange sie denken konnte, hatte er in dieser Gegend gelebt wie ein König, der versucht, alle umliegenden Länder zu erobern. Er hatte immer wieder versucht, das Land ihrer Eltern zu kaufen, aber ihr Vater hatte abgelehnt. Das war auch der Grund, warum er sie heiraten wollte – in der Hoffnung, Ballaloch als Mitgift zu erhalten.

Juliette ballte ihre Hände zusammen, um nicht zu zittern. Lass nicht zu, dass Strathland die Hochzeit meiner Schwester ruiniert.

Sinclairs blaue Augen verwandelten sich in Eiskristalle. Keiner von uns wird zulassen, dass hier etwas geschieht. Nicht, wenn wir sie aufhalten können. Ohne ein weiteres Wort schob er sich an ihr vorbei und öffnete die Tür.

Juliette folgte ihm. Sie erhaschte einen Blick auf Paul und den Duke, als diese ihre Pferde bestiegen. Bei dem Anblick von Paul, der davonritt, wurde sie von Sorge erfüllt. Lass ihn in Sicherheit sein, betete sie. Sie sah ihnen nach, bis die drei Männer in den Hügeln verschwanden, und schloss schließlich die Tür.

Ein eisiges Gefühl durchzog ihre Adern, das sie jedoch verdrängte. Vom Fenster aus sah sie, wie die Sonne hinter dem Horizont unterging. Ihre Schwester Victoria stand am Rande der Menge, als versuche sie verzweifelt zu entkommen.

Juliette verstand dieses Gefühl. Sie bahnte sich ihren Weg an den Hochzeitsgästen vorbei, bis sie an der Seite ihrer Schwester angekommen war. Sie entschuldigte sich bei den Gästen und führte Victoria zurück in den Salon.

Ich dachte, du brauchst vielleicht einen Moment, um dich zu sammeln, bot Juliette an. Du siehst ein bisschen blass aus.

Ich bin einfach besorgt, gab Victoria zu. Wir haben von einem der Jungen das Gerücht gehört, dass sich Lord Strathlands Männer dem Haus nähern. Vielleicht ist es nichts, aber …

Aber die Männer werden das Risiko nicht eingehen, beendete sie. Obwohl sie ruhig wirkte, drehte sich ihr bei dieser Nachricht der Magen um. Ich habe es von Mr Sinclair erfahren, fügte Juliette hinzu. Er und Dr. Fraser sind losgezogen, um sie daran zu hindern, hierher zu kommen. Und so Gott will, werden sie Erfolg haben.

Ihre Schwester nickte, wirkte aber immer noch verängstigt. Mein Mann hat sich ihnen angeschlossen.

Juliette drückte ihre Hände und murmelte Worte der Beruhigung, die keiner von ihnen wirklich glaubte. Warum gehst du nicht für einen Moment auf dein Zimmer?, schlug sie vor. Du siehst aus, als könntest du eine Pause gebrauchen.

Ihre Schwester warf ihr einen dankbaren Blick zu. Ich danke dir.

Obwohl beide wussten, dass die Braut ihre eigene Hochzeitsfeier nicht verlassen sollte, fühlte sich Victoria in Gegenwart so vieler Menschen nicht wohl. Ihre Schwester hasste es, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen.

Soll ich dich begleiten?, bot Juliette an.

Ihre Schwester zögerte einen Moment, als würde sie es sich überlegen. Nein, das ist schon in Ordnung. Ich werde mir nur einen Moment nehmen, um durchzuatmen, bevor ich zurückkomme. Ihre Wangen erröteten, und Victoria fügte hinzu: Viele der Frauen necken mich wegen meiner Hochzeitsnacht. Aber um ehrlich zu sein, habe ich überhaupt keine Angst. Na ja, höchstens ein bisschen. In ihren Augen lag ein unerwartetes Funkeln, aber Juliette konnte sich nicht vorstellen, der Hochzeitsnacht mit etwas anderem als Angst entgegenzusehen. Wäre sie an der Stelle ihrer Schwester, würde sie sich fürchten.

Sie wusste genau, was auf Victoria zukommen würde. Und obwohl einige der Frauen lachten und Andeutungen über das Liebesspiel machten, war es nichts, was Juliette jemals ertragen wollte.

Nicht noch einmal.

Sie schloss für einen Moment die Augen und sammelte sich. Dann ging sie neben ihrer Schwester her, bis Victoria die Treppe hinaufstieg und in ihr Zimmer ging. Juliettes Hände zitterten gegen ihren Willen und sie kehrte in den Salon zurück, wobei sie die Worte innerlich wie ein Mantra wiederholte.

Es war nicht deine Schuld. Du wurdest gezwungen.

Die Scham durchströmte sie erneut, bis sie sich krank fühlte. Ihre Sicht verschwamm und sie hielt sich an der Kante der Chaiselongue fest, um sich zu beruhigen.

Es war nicht deine Schuld.

Dennoch blieb der Schaden bestehen. Obwohl sie einmal davon geträumt hatte, einen Mann und Kinder zu haben, konnte sie sich das jetzt nicht mehr vorstellen. Niemals könnte sie den Schmerz, unter einem Mann zu liegen und die Erniedrigung einer Hochzeitsnacht ertragen. Sie würde das Leben einer Jungfer von ganzem Herzen annehmen, wenn es bedeutete, dass sie diesen Albtraum nicht noch einmal erleben müsste.

Ein plötzliches Krachen von zerbrechendem Glas ließ sie aufschrecken. Sekunden später sah Juliette, dass die Ursache ein brennender Ziegelstein war, der in Stoff eingewickelt und mit Öl getränkt war. In dem Moment, in dem der Ziegelstein auf die Kante des Sofas traf, fing der Stoff Feuer.

Juliette zuckte erschrocken zurück und griff instinktiv nach einem Krug mit Wasser oder etwas anderem, um das Feuer zu ersticken. Die Flammen bewegten sich viel zu schnell und sie sah Flüssigkeit an den Wänden des Raumes.

Öl.

Sie war wie betäubt, denn das bedeutete, dass jemand das Feuer vorsätzlich gelegt hatte. Jemand, der zur Hochzeit ihrer Schwester gekommen war, möglicherweise einer der Pächter. Aber warum? Ihre Familie hatte nichts getan, außer ihnen Zuflucht zu gewähren. Sie hatten den Schotten einen Platz zum Leben gegeben.

Es sei denn, einer der Männer des Earls hatte sich unter den anderen versteckt.

Einer der Gäste entdeckte die Flammen und rief eine Warnung aus. Die Schreie verängstigter Kinder mischten sich mit den Stimmen ihrer Mütter, die versuchten, sie zu beruhigen. Zu viele Menschen drängten sich zur Tür und kämpften darum, hinauszukommen.

Jemand packte sie an der Hand und zerrte sie mit den anderen nach draußen. Der Geruch von Rauch war beißend, das Feuer wütete schneller, als es sollte.

Die Männer waren bereits dabei, Eimer aus dem Brunnen zu holen und eine Kette zu bilden, um das Feuer zu löschen. Juliette suchte die Menge ab, bis sie ihre Mutter fand. Beatrice umarmte sie und hielt bereits die Hand von Amelia fest. Die Augen ihrer Schwester waren groß, sie hatte Angst vor dem Feuer.

Wo ist Margaret?, fragte Beatrice. Und Victoria?

Sie stieß einen zittrigen Atemzug aus. Victoria war in ihrem Zimmer, als ich sie zuletzt gesehen habe. Margaret habe ich nicht gesehen. Juliette warf einen Blick auf das Haus und sah, dass sich die Flammen so schnell ausbreiteten, dass es fast unmöglich war, das Feuer unter Kontrolle zu halten. Glaubst du, sie sind rausgekommen?

Eine eisige Kälte erfasste sie bei dem Gedanken, ihre Schwestern zu verlieren. Das durfte nicht passieren – sie weigerte sich, auch nur daran zu denken. Sie starrte in die Flammen, während sie tausend Gebete für ihre Sicherheit betete.

Bleib hier, während ich es herausfinde. Beatrice nahm Juliettes Hand und gab Amelia in ihre Obhut. Pass auf deine Schwester auf.

Sobald ihre Mutter weg war, begann Amelia zu weinen. Obwohl ihre Schwester sechzehn Jahre alt war und zu Dramen neigte, hatte sie in diesem Fall Grund zur Sorge. Victoria ist noch im Haus. Ich weiß es einfach. Ich will nicht, dass sie stirbt.

Sie wird nicht sterben. Juliette hielt ihre Schwester fest und versuchte, sie zu beruhigen, obwohl sie im Stillen befürchtete, dass Amelia recht hatte. Sie werden sie herausholen, wenn sie noch drinnen ist. Aber ich glaube nicht, dass sie in einem brennenden Haus bleiben würde. Selbst als sie diese Worte aussprach, war sie nicht überzeugt. Die Ängste ihrer Schwester waren tief verwurzelt, und Juliette hatte Victoria in den fünf Jahren, die sie hier lebten, nicht ein einziges Mal nach draußen gehen sehen.

Sie werden sie finden, versprach sie. Aber sie suchte weiter nach ihrer Schwester. Jemand muss sie finden, bitte.

Es herrschte eine gespenstisches Schweigen, während die Bauern ihre Eimer in die brennenden Räume reichten. Obwohl sie tapfer kämpften, ahnte Juliette, dass es ein aussichtsloser Kampf war, das Haus zu retten. Das steinerne Äußere mochte erhalten bleiben, aber das Innere würde die Flammen nicht überstehen.

Pferde kamen näher, und schließlich kehrten die Reiter zurück. Der Duke verschwendete keine Zeit, sprang von seinem Pferd und rannte in das brennende Haus, als er erfuhr, dass seine Frau noch im Haus war. Juliette war entsetzt und fürchtete, dass sie beide in den Flammen umkommen würden.

Paul bahnte sich einen Weg durch die Menschen, seine Augen suchten, bis sie auf ihr ruhten. Der Rest der Menge schien zu verschwinden, bis nur noch er übrig war. Sein dunkles Haar war zerzaust, seine Augen saugten ihren Anblick in sich auf. Obwohl er sich nicht näher bewegte, spürte sie seine unausgesprochenen Worte.

Ist mit Ihnen alles in Ordnung?

Ja, mir geht es gut.

Gott sei Dank.

Juliette zwang sich, nicht auf ihn zuzustürzen, sondern den Abstand zwischen ihnen zu wahren. Aber sie war so froh, dass er unversehrt zurückgekehrt war. Es tat gut, ihn zu sehen, auch wenn sie die Sorge um ihre Schwestern nicht abschütteln konnte.

Paul nickte fast unmerklich und ging zu den anderen, um seinen Platz zwischen den Pächtern einzunehmen. Er krempelte seine Ärmel hoch und half ihnen im Kampf gegen die Flammen, während Juliette sich zurückhielt und betete, dass jemand ihre Schwestern finden würde.

Eine unsichtbare Last fiel ihr von den Schultern, als Margaret endlich zu ihnen stieß. Das Haar ihrer Schwester war zerzaust, ihr Gesicht errötet und sie trug ein Stoffbündel. Juliette erkannte darin die Kleidungsstücke, die Victoria genäht hatte – Seide und Satin im Wert von mehreren Hundert Pfund. Ihre älteste Schwester hatte im Dezember mit dem Verkauf von Korsetts und Unterhemden begonnen, und der Gewinn war schwindelerregend gewesen. Auch wenn Margaret sich gegen die Idee sträubte, war sie wenigstens vernünftig genug gewesen, die Rohmaterialien zu retten.

Ich bin so froh, dass ihr in Sicherheit seid, murmelte sie, als Margaret sie beide umarmte. Margaret wies in Richtung Stall. Mr Sinclair spannt die Kutsche für uns ein. Er bringt uns für die Nacht an einen sicheren Ort, da wir – ihre Stimme brach ab, als sie wieder auf das brennende Haus blickte – hier nicht schlafen können.

Aber was ist mit Victoria und Mutter? Amelia sah entsetzt aus bei dem Gedanken, sie zu verlassen.

Mutter ist in Sicherheit und Seine Gnaden holt Victoria, sagte Margaret. Wir werden bei der Kutsche warten, bis beide bei uns sind.

Amelia sträubte sich. Ich will nicht gehen, bevor wir wissen, dass es ihr gut geht.

Juliette nahm die Hand ihrer Schwester und führte sie vom Haus weg, während Margaret vor ihnen herging. Es ist sicherer. Die Männer werden das Feuer löschen, du wirst schon sehen.

Wieder zögerte Amelia, ihren Blick auf das Feuer gerichtet. Ich will nicht, dass sie stirbt, flüsterte sie. Es ist ihr Hochzeitstag, Juliette. Es sollte der glücklichste Tag in ihrem Leben werden.

Juliette hatte einen Kloß im Hals, aber sie nickte. Hab keine Angst. Seine Gnaden wird sie finden. Ich weiß, dass er es wird.

Summary:

Nachdem sie von ihrem ärgsten Feind missbraucht und ruiniert wurde, schwor sich Juliette Andrews, keinen Mann zu heiraten – schon gar nicht Dr. Paul Fraser, ihre Jugendliebe. Sie vergräbt sich lieber in Buchhaltung und Zahlen und weigert sich, den umwerfend gut aussehenden Highlander wieder in ihr Leben zu lassen.

Paul Frasers Herz brennt für die Rache an dem Earl, der seinen Vater hingerichtet und die Schotten aus ihrer Heimat vertrieben hat. Doch als er erfährt, dass sein Feind die Frau verletzt hat, die er liebt, schwor Paul, ihn zu vernichten.

Können die Arme des Mannes, den Juliette einst liebte, helfen, die dunklen Erinnerungen an ihre Vergangenheit zu überwinden? Oder werden ihre Geheimnisse sie für immer trennen?
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